Bundesgerichtshof: Verurteilung wegen Stalking rechtfertigt im Regelfall nicht die Unterbringung im Maßregelvollzug

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 18. Juli 2013 ein Urteil des Landgerichts Dortmung aufgehoben, durch das ein junger Mann wegen Nachstellung, Körperverletzung und versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden war. Zugleich hatte das Landgericht Dortmund die Unterbringung des Angeklagten in einem psychaitrischen Krankenhaus des Maßregelvollzugs angeordnet. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Landgerichts Dortmund aufgehoben und die unverzügliche Entlassung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft angeordnet.

Das Urteil ist aus zwei Gründen hervorzuheben.

Zum einen stellt der Bundesgerichtshof mit hinreichender Deutlichkeit fest, dass er Stalking bzw. Nachstellung im Sinne des § 238 StGB im Regelfall nicht als “Straftat von erheblicher Bedeutung”, also als Straftat, die mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen ist, einordnet. Bei Verurteilungen wegen Nachstellung komme deshalb nur in Ausnahmefällen eine Unterbringung in einem Krankenhaus des Maßregelvollzugs (§ 63 StGB) in Betracht, z.B. wenn “die Nachstellung mit aggressiven Übergriffen einhergeht”. Der Bundesgerichtshof setzt hier seine von der Einführung des Straftatbestandes verfolgte restriktive Rechtsprechung fort, die den Anwendungsbereich der von § 238 StGB erfassten strafbaren Handlungen eng fasst und strafbare Handlungen eher dem Bereich der Bagatellkriminalität zuordnet.

Zum anderen hat der Bundesgerichtshof erstmals einem oft ins Feld geführten Argument vieler Opferanwälte/ Nebenkläger den Boden entzogen. Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht Dortmund nämlich den Angeklagten neben Stalking/ Nachstellung auch wegen mehrerer Fälle der Körperverletzung verurteilt, wobei die Körperverletzung in rein psychischen Beeinträchtigungen der Geschädigten bestanden haben soll. Mit entsprechender Argumentation wird bei den Instanzgerichten immer wieder versucht, teils völlig überzogene Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Ganz davon abgesehen, dass entsprechende psychische Auswirkungen von den Geschädigten oft nur behauptet und nicht nachgewiesen werden, weist der Bundesgerichtshof in seinem Urteil nun völlig zutreffend darauf hin, dass eine Körperverletzung erst dann zu bejahen ist, wenn “ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist. […] Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, aber auch latente Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar”. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die jedoch nun Nebenklagevertretern immer wieder “vergessen” wird.